Samstag, 20. November 2010

Stillen wirkt wie ein Schmerzmittel

Die Gabe von Muttermilch kann ein wirksames Mittel sein, um medizinisch notwendige Maßnahmen erträglicher zu machen. Das hat ein kanadisches Forscherteam bei der Auswertung verschiedener Studien mit insgesamt 1.000 Säuglingen herausgefunden.

Für ihre Auswertung verwendeten die Forscher Daten aus elf verschiedenen Studien. Dabei zeigte sich, dass Stillen den Schmerz während einer Blutabnahme deutlich effektiver linderte, als wenn die Babys steriles Wasser bekamen oder wenn gar nichts geschah. Allerdings war hochkonzentriertes Zuckerwasser als Schmerzmittel genauso effektiv wie die Gabe von Muttermilch.

Aufgrund der positiven Wirkung sollte das Stillen daher auch in der Krankenhausroutine als eine Art Beruhigungsmittel eingesetzt werden, empfiehlt der Forscher. Bisher würden bei ärztlichen Untersuchungen nach der Geburt in den meisten Fällen keine speziellen schmerzlindernden Mittel eingesetzt.
Wie sich der schmerzlindernde Effekt des Stillens genau erklären lässt, wissen die Forscher allerdings noch nicht. Eine Kombination mehrerer Faktoren könnte dafür verantwortlich sein, vermutet Studienleiter Prakeshkumar Shah – etwa der leicht süße Geschmack der Milch, zusammen mit der beruhigenden Anwesenheit der Mutter und dem angenehmen Hautkontakt.

Die von Shah analysierten Daten stammen zwar fast alle von termingerecht geborenen, gesunden Babys. Besonders wichtig könnten die Ergebnisse jedoch für Frühgeborene sein. Diese müssen während ihrer Zeit im Brutkasten häufig schmerzhafte Untersuchungen über sich ergehen lassen, erklärt Shah. Zudem seien die Frühchen besonders stressanfällig: Sie reagieren bei einer Häufung unangenehmer Erlebnisse – wie dem Nadelstich zur Blutabnahme – leicht mit erhöhtem Blutdruck und erhöhter Herzfrequenz. Extrem früh geborene Babys haben bei Stress auch ein höheres Risiko für Hirnblutungen. Daher sollten die Studien zur Wirkung von Muttermilch in Zukunft auf diese Babys ausgedehnt werden, schlägt Shah vor.

Zuckerwasser als Schmerzmittel ist nach Meinung der Autoren dagegen weniger zu empfehlen, denn die hohe Konzentration an Zucker sei vermutlich eher ungesund. Einige Studien hätten zum Beispiel gezeigt, dass Frühgeborene bestimmte Bewegungsabläufe später lernen, wenn sie häufig Zuckerwasser zur Schmerzlinderung erhielten. Muttermilch sei zwar auch leicht süß, enthalte jedoch nur sieben Prozent Zucker.

Prakeshkumar Shah (Mount Sinai Hospital, Toronto) et al.:
The Cochrane Database of Systematic Reviews, Ausgabe 3, 2006. ddp/wissenschaft.de – Christine Amrhein Stillen

Nach Bedarf stillen

Studien zeigen: Stillen nach Bedarf ist am besten

BAAR/Schweiz - Viele Mütter werden beim Stillen von Selbstzweifeln und Unsicherheit geplagt: Reicht die Milchmenge aus? Hat mein Baby einen normalen Stillrhythmus? Enthält meine Milch alles, was das Baby braucht? Ermutigende Ergebnisse liefern nun Studien der University of Western Australia, durchgeführt von weltweit führenden Stillforschern: Der Körper der Mutter sorgt in der Regel dafür, dass das Baby mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt wird - unabhängig davon, wie oft, wie lange oder mit welchen Abständen ein Baby trinkt. Wichtig ist nur, dass Mutter und Kind ihren eigenen Rhythmus finden und nach Bedarf, das heißt, abhängig vom Appetit des Babys gestillt wird.

Während ihrer Arbeit fanden die Wissenschaftler aus dem Team rund um den weltweit führenden Stillforscher Dr. Peter Hartmann eine Vielzahl unterschiedlicher Stillgewohnheiten vor: Während die einen Babys sechs Mal am Tag nach der Brust verlangten, wollten andere bis zu 18 Mal am Tag gestillt werden. Die einen tranken während einer Mahlzeit nur an einer Brust, andere an beiden. Während das eine Kind nachts durchschlief, wollte das andere auch zur Nachtzeit regelmäßig gefüttert werden. Auch die Trinkdauer und die aufgenommene Milchmenge pro Stillmahlzeit unterschieden sich von Baby zu Baby.
Auf einen Zeitraum von 24 Stunden gesehen, nahmen dennoch alle eine ähnliche Menge an Nährstoffen auf. Entscheidend war einzig, dass nach Bedarf gestillt wurde.

Andere Studien der Forschergruppe unterstützen diese Ergebnisse: So ändert sich die Zusammensetzung der Milch sowohl während einer Stillmahlzeit als auch abhängig vom Alter des Kindes und passt sich dem Bedarf des Kindes an. Auch damit stellt der Körper der Mutter sicher, dass ein Baby immer alle Nährstoffe bekommt, die es aktuell benötigt.

Hartmann und seine Mitarbeiter präsentierten diese Ergebnisse erst vor kurzem im Rahmen einer Fachtagung in Basel, die vom BSS (Berufsverband Schweizerischer Stillberaterinnen) und dem Unternehmen Medela, Hersteller von Milchpumpen und Stillzubehör, veranstaltet wurde. Medela arbeitet eng mit der Laktationsforschergruppe der University of Western Australia zusammen und fördert deren Studien. "Indem wir die Arbeit von Dr. Hartmann unterstützen, wollen wir so vielen Müttern wie möglich eine schöne und erfolgreiche Stillerfahrung ermöglichen", erklärt Dr. Leon Mitoulas, leitender Wissenschaftler der Abteilung Stillforschung bei Medela. "Einer der Hauptgründe für Stillprobleme sind Selbstzweifel und Stress bei den Müttern - verbunden mit widersprüchlichen und wenig objektiven Ratschlägen. Daher setzen wir uns auch dafür ein, dass die Forschungsergebnisse im Stillalltag der Frauen ankommen. Und letztendlich dafür sorgen, dass mehr Mütter stillen und auch länger stillen."