Sonntag, 4. November 2012


Das aktuelle Wissen zum Kaiserschnitt, vorgestellt auf dem
 
DGGG-Kongress 2012

von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Frank Louwen :



KAISERSCHNITT ODER NATÜRLICHE GEBURT –
 
KEINE SCHWIERIGE ENTSCHEIDUNG?
 
Schlussfolgerung: Wenn eine Schwangere ohne eine medizinische Indikation einen Kaiserschnitt wünscht, zum Beispiel weil sie Angst vor den Geburtsschmerzen hat, dann sollte sie wissen, dass der Eingriff selbst zwar in der Klinik sicher durchgeführt werden kann. Aber sie muss auch wissen, dass sie damit Risiken für das Kind sowohl direkt nach der Geburt als auch für das spätere Leben, für sich selbst und für weitere Schwangerschaften in Kauf nimmt. Insbesondere ist auch der Geburtszeitpunkt bei geplantem Kaiserschnitt mit den sich daraus ergebenden Komplikationsraten relevant. Die Aufklärung der werdenden Mütter muss diese Erkenntnisse berücksichtigen.


Ein Kaiserschnitt scheint heutzutage ein sehr risikoarmer Eingriff zu sein. Er ermöglicht eine rasche Entbindung, wenn eine vaginale Geburt wegen einer geburtsunmöglichen Lage des Kindes indiziert oder mit einem hohen Verletzungsrisiko für das Kind verbunden ist, wenn bei der Mutter eine geburtsrelevante Erkrankung vorliegt oder wenn unter der Geburt eintretende Komplikationen eine natürliche Geburt ausschließen.

In der Phase nach der Geburt treten bei Patientinnen mit einem Kaiserschnitt im Gegensatz zu Müttern nach einer natürlichen Geburt typische postoperative Probleme und auch gehäuft Komplikationen auf.

Da für einen Kaiserschnitt die Bauchdecke eröffnet werden muss, sind Schmerzen in der ersten Phase nach der Entbindung operationsbedingt. Da sich in der Schwangerschaft das Gerinnungssystem der Frau verändert, hat eine Wöchnerin auch nach einer natürlichen Geburt ein erhöhtes Risiko für zum Teil lebensbedrohliche Gerinnungskomplikationen wie Thrombosen oder Lungenembolien. Das Risiko für diese schweren Erkrankungen ist nach einem Kaiserschnitt besonders erhöht. Die Sterblichkeitsrate einer gesunden Mutter ist gegenüber einer natürlichen Geburt nur noch um den Faktor 1,7 erhöht; die Wahrscheinlichkeiten für Thrombosen, Embolien, Blutungskomplikationen, anästhesiologische Komplikationen, aber auch für Gebärmutterentfernungen als letzte, lebensrettende Maßnahme bei geburtsbedingten Komplikationen ist nach Kaiserschnitt signifikant erhöht, wenn auch die Wahrscheinlichkeit für operationsbedingte Komplikationen in den letzten Jahrzehnten bedeutend gesunken ist.

Beckenbodensenkungen können durch einen Kaiserschnitt nicht verhindert werden, da sie mit der 
Schwangerschaft selbst im Zusammenhang stehen. Allerdings scheint eine verlängerte Geburtsdauer in der Phase, in der das Kind durch den Gebärkanal tritt (Austreibungsperiode), mit späteren Beckenboden- und Inkontinenzkomplikationen einher zu gehen. Die Folgen eines Kaiserschnitts für das Neugeborene wurden lange Zeit vernachlässigt. Nicht selten entstand sogar der Eindruck, das Kind profitiere von einem Kaiserschnitt, so dass für die Mutter der Kaiserschnitt trotz der bekannten erhöhten mütterlichen Morbidität und Mortalität als Alternative im Sinne des Neugeborenen diskutabel erschien. Neue Untersuchungen insbesondere auch der nachbetreuenden Kinderärzte haben verdeutlicht, dass bei einem Kaiserschnitt gegenüber einer natürlichen Geburt sowohl die Kurzzeit- als auch die Langzeitmorbidität der Neugeborenen erhöht ist. Nach einer Sectio caesarea sind Anpassungsstörungen und beatmungspflichtige Komplikationen signifikant erhöht. Die Komplikationsrate ist umso höher, je früher vor der 40. Schwangerschaftswoche der Kaiserschnitt durchgeführt wird. Der geplante Kaiserschnitt in der 38. Schwangerschaftswoche – wie er noch vor kurzem angeboten wurde – ist mit einer signifikant höheren Rate an Komplikationen des Neugeborenen verbunden, die sogar zu einer intensivmedizinischen Behandlung veranlassen, verglichen mit natürlichen Geburten oder mit einem Kaiserschnitt in der 40. Schwangerschaftswoche. Im Wochenbett sind ebenfalls sowohl die Rückbildung der Gebärmutter als auch die Stillphase durch einen Kaiserschnitt gestört. So resultiert nach einem Kaiserschnitt ein Bedarf an kontraktionsfördernden Medikamenten; resultierende Blutungskomplikationen treten gehäuft auf, die Schmerzen nach einem Kaiserschnitt müssen zudem medikamentös effektiv behandelt werden, auch weil Schmerzen die Ausschüttung des Hormons Oxytocin hemmen, das für das Stillen notwendig gebraucht wird. Wird ein Kaiserschnitt ohne natürlichen Geburtsbeginn durchgeführt, so steigt das Risiko eines primären Oxytocinmangels. ((= mgl.Bindungsprobleme)) Besonders bedeutsam sind aber die Ergebnisse von epidemiologischen Studien aus den vergangenen 5 Jahren. Sie verdeutlichen, dass ein Kaiserschnitt auch bedeutsame Einfluss auf das weitere Leben des Neugeborenen und insbesondere auf immunitätsbedingte Erkrankungen hat. Kinder nach Kaiserschnitt scheinen signifikant häufiger an Asthma, Allergien, Diabetes mellitus und Zöliakie (Überempfindlichkeit auf Weizenbestandteile in der Nahrung) zu erkranken. Der genaue Mechanismus dieser erhöhten Erkrankungswahrscheinlichkeit im Jugendalter ist noch nicht aufgeklärt, dennoch haben diese Befunde direkte Konsequenzen für die Aufklärung von Patientinnen insbesondere bei Wunsch nach einem Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation. Besondere Bedeutung kommt aber dem Risiko für alle folgenden Schwangerschaften zu, das aus einem Kaiserschnitt resultiert. Dem entsprechend ist von einem Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation dringend abzuraten, wenn weiterer Kinderwunsch besteht. Ein voraus gegangener Kaiserschnitt birgt nicht nur das Risiko, dass Verletzungen aus der Gebärmutternarbe bei Folgeschwangerschaften entstehen könnten. Wesentlich bedeutsamer für die mütterliche Morbidität und Mortalität sind die sogenannten Plazentationsstörungen. Darunter wird sowohl der „falsche Sitz“ eines Mutterkuchens direkt vor dem Muttermund verstanden, die sogenannte Plazenta prävia. Sie hat nicht nur das sehr stark erhöhte Risiko für Frühgeburtlichkeit in der Folgeschwangerschaft, sondern für Mutter und Kind lebensbedrohliche Blutungen. Direkt mit der Anzahl vorausgegangener Kaiserschnitte sind auch Mutterkuchenkomplikationen verbunden, die durch ein tiefes Einwachsen des Mutterkuchens in die Gebärmutterwand entstehen (Plazenta accreta/increta). Häufig kann hier nur die Gebärmutterentfernung lebensrettend für die Mutter sein; selbst bei optimalen Bedingungen kommt es bei diesen operativen Eingriffe immer wieder zu Todesfällen, die nicht verhindert werden können. Dennoch sind Folge-Kaiserschnitte keine Einzelfälle, sondern ein häufiges Phänomen. Denn die durchschnittliche Geburtenzahl von 1,3 Kindern pro Frau in Deutschland bedeutet nicht, dass es fast nur noch Einzelkinder gäbe. Richtig ist, dass etwa 20% aller Frauen heute kinderlos bleiben, und dass die Geburtenrate unter Frauen, die Kinder bekommen, bei 1,6 liegt, in den alten Bundesländern sogar bei 1,9. Das bedeutet, dass eine Frau, die ihr erstes Kind bekommt, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weitere Kinder bekommen wird. Unter optimalen Bedingungen können auch nach einem vorangegangen Kaiserschnitt durch eine vaginale Entbindung die Folgekomplikationen häufig reduziert werden. Nach diesen Erörterungen zurück zur Hypothese: Kaiserschnitt oder natürliche Geburt – keine schwierige Entscheidung“ Ein Kaiserschnitt ist immer dann eine gute und geeignete Geburtsmethode,wenn die Gesundheit von Mutter und Kind durch eine natürliche Entbindung gefährdet sind. Dabei ist die operative Methode des Kaiserschnittes insbesondere unter regionalanästhesiologischer Schmerzausschaltung (PDA, Spinalanästhesie) mit geringer mütterlicher direkter Komplikationsrate im Vergleich zu früheren Jahrzehnten verbunden. Lachgas, das derzeit in der angloamerikanischen Literatur wieder diskutiert wird, kann Sauerstoffmangel verursachen. Er stellt in Deutschland keine sinnvolle Option dar.
 
Wenn eine Schwangere ohne eine medizinische Indikation einen Kaiserschnitt wünscht, zum Beispiel weil sie Angst vor den Geburtsschmerzen hat, dann sollte sie wissen, dass der Eingriff selbst zwar in der Klinik sicher durchgeführt werden kann. Aber sie muss auch wissen, dass sie damit Risiken für das Kind sowohl direkt nach der Geburt als auch für das spätere Leben, für sich selbst und für weitere Schwangerschaften in Kauf nimmt. Insbesondere ist auch der Geburtszeitpunkt bei geplantem Kaiserschnitt mit den sich daraus ergebenden Komplikationsraten relevant. Die Aufklärung der werdenden Mütter muss diese Erkenntnisse berücksichtigen.
 
 
*Literatur: *Cho CE, Norman M.:Cesarean section and development of the immune system in the offspring. Am J Obstet Gynecol. 2012 *Roberta De Luca, MDa, Michel Boulvain, MD, PhDb, Olivier Irion, MDb, Michel Berner, MDa and Riccardo Erennio Pfister, MD, PhDa :Incidence of Early Neonatal Mortality and Morbidity After Late-Preterm and Term Cesarean Delivery.PEDIATRICS Vol. 123 No. 6 June 2009, pp. e1064-e1071 *Alan T.N. et al., NICHD Maternal–Fetal Medicine Units Network: Timing of Elective Repeat Cesarean Delivery at Term and Neonatal Outcomes. NEJM 360:111-120 jan 8, 2009 No 2 *DGGG-Leitlinie: Schwangerenbetreuung und Geburtseinleitung bei Zustand nach Kaiserschnitt. AWMF 015/021 (S1) www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/3-4-5-entbindung-nach-sectio-2010.pdf

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Vitamin D - Wann und wieviel?


Die Vitamin-D-Gabe für gestillte Kinder wird immer wieder kritisch diskutiert.

Hier der Link zu einem interessanten, aktuellen Infoblatt dazu:


http://www.stillen-institut.com/asp_service/upload/content/1-12_Neues_aus_der_Forschung.pdf


Montag, 14. Mai 2012


6.3.2012

Der hier folgende Text stammt aus:
http://pylzrysotto.wordpress.com/2012/03/06/die-raubtierfutterung/

"Ein Thema, das in unserer Zeit (welche das auch immer sein soll…) komischerweise heiß diskutiert wird: Das Stillen. Warum muss man das diskutieren, frag ich mich, aber darum solls hier jetzt mal ausnahmsweise nicht gehen. Ich möchte nur eins im Vorhinein klarstellen: Ja, die allgemeine Empfehlung lautet “Stillen ist das Beste für Ihr Kind!”, steht ja nicht umsonst auf allen Flaschen und Trinklerntassen und Verpackungen von industriell hergestelltem Muttermilchersatzpulver.

Das Wichtigste in Bezug auf diese Empfehlung ist jedoch, dass die (zukünftige) Mutter es auch wirklich WILL! Es hilft überhaupt nichts, eine Frau dazu zu überreden oder zu drängen. Stillen unter Zwang oder Widerwillen wird nicht funktionieren. Also wenn eine Frau aus welchem Grund auch immer einfach nicht stillen möchte, dann ist das okay und sie sollte sich deswegen keine Vorwürfe machen. Hier möchte ich mich nun aber an die Frauen wenden, die fest oder fast davon überzeugt sind, dass sie es wollen :)

Jede Mutter oder zumindest die, die zum ersten Mal Mutter wird, wird am Anfang unsicher und ungeduldig sein. Darum ist es um so wichtiger, dass sie (und auch der Partner/die Partnerin) gut informiert ist/wird. Ganz besonders, falls man in einem Umfeld lebt, in dem einem von jeder Seite eingeredet wird, man soll doch die Flasche geben und sich nicht weiter abmühen. Ein bisschen Tee kann ja nicht schaden, blabla. Eine der wichtigsten Regeln für Baldmütter bzw. Baldeltern: Schaltet eure Ohren auf Durchzug und macht das, was ganz allein ihr als Eltern für richtig haltet!!!

Als ich begann, mich über das Thema zu informieren, kam mir der von vielen als Standardwerk angesehene Ratgeber „Das Stillbuch“ von Hannah Lothrop leicht veraltet vor. Die wirklich alte Auflage hatte ich bereits bei meiner Frauenärztin im Wartezimmer durchgeblättert und etwas später dann im Internet gesehen, dass es zwar eine neue Auflage gab, die jedoch nur äußerlich aufgehübscht wurde und drinnen fanden sich die selben alten Schwarzweißfotos aus den 70ern oder 80ern und der selbe Inhalt wieder. Wie gesagt, ich habe dieses Buch nicht komplett durchgelesen und zwar beim Reinlesen viele gute Tipps und Ratschläge gefunden, jedoch auch einiges, was man heutzutage doch besser oder anders weiß. Jetzt sehe ich allerdings, dass es inzwischen eine wirklich neue Fassung gibt und sie ist sogar von der Autorin überarbeitet und aktualisiert worden, deren Buch ich euch an dieser Stelle empfehlen will :)

Es trägt den Titel “Stillen – Das Begleitbuch für eine glückliche Stillzeit – Alles Wichtige auf einen Blick” und wurde von Vivian Weigert verfasst. Frau Weigert ist Leiterin und Mitbegründerin der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e. V. in München. Auf ihrer Website findet ihr weitere Informationen zu ihr als Person, Themen rund ums Kind und ihrer Praxis für Baby-Ostheopathie und Klassische Homöopathie.

Das Buch ist sehr ansprechend, freundlich und übersichtlich gestaltet. Der Inhalt ist sehr umfangreich und reicht von allgemeinen wissenschaftlichen Informationen (z. B. die Zusammensetzung der Muttermilch), über eine Begleitung durch die gesamte Stillzeit, Problemlösung, Brustpflege, Alltag der Mutter, bis hin zu Tipps für den Partner. Und noch vieles, vieles mehr. Beigefügt ist dem Buch eine bebilderte Stillanleitung zum Herausnehmen, die man praktischerweise nebens Bett oder den Stillplatz legen kann.

Ich sehe wirklich sehr oft in dieses Buch und habe bisher zu jedem meiner Probleme eine Hilfestellung gefunden. Nachdem ich es einmal einer befreundeten Mutter ausgeliehen hatte, fand diese es so gut, dass sie es sich gleich gekauft hat. Ihr wisst ja schon, ich mag Bücher, die mir ein gutes Gefühl geben ;) Und dieses tut es auch!"








Wann mit Beikost beginnen?

Müssen die Empfehlungen zur Stilldauer geändert werden?

Die AAP - Amerikanische Assoziation der Pädiater - bekräftigte im Februar 2012 erneut ihre Empfehlung, sechs Monate lang ausschließlich zu stillen. Siehe: http://www.aap.org/en-us/about-the-aap/aap-press-room/pages/AAP-Reaffirms-Breastfeeding-Guidelines.aspx?nfstatus=401&nftoken=00000000-0000-0000-0000-000000000000&nfstatusdescription=ERROR%3a+No+local+token
Hier ein ausgezeichneter Beitrag von der Hebamme Sylvia Höfer zur aktuellen Fachdiskusson über den Beginn der Beikost, übernommen von der wunderbaren Seite:
http://www.hebamme4u.net/baby/stillen/aeltere-babys/stillenbeikost-1.html

Artikel von Sylvia Höfer:

Kaum ist die EU-Richtlinie zur Kennzeichnung von Säuglingsnahrung mit der WHO- und NSK- Empfehlung, mindestens sechs Monate ausschließlich zu stillen, umgesetzt, rütteln wieder die ersten an der Sechs-Monate-Empfehlung – allen voran die DGE und (wen wundert’s?) die Säuglingsnahrungshersteller. Ihr Argument:
Frühe Beikosteinführung soll das Risiko senken, an Zöliakie zu erkranken. Doch die herangezogenen Daten sind uneinheitlich und beweisen keineswegs einen Vorteil einer kürzeren Stilldauer.

Merkwürdig, dass diese Verunsicherung auftritt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung eine EU-Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht von Säuglingsanfangs- und Folgenahrung umgesetzt hat: Mit einer Übergangsregelung bis Januar 2010 wird Säuglingsnahrung so gekennzeichnet, dass bis zum abgeschlossenen 6. Lebensmonat Babys nur Muttermilch, ersatzweise eine Milch mit der Kennzeichnung Pre oder 1 gefüttert werden soll.
Die Verunsicherung ist verständlich: Kompetent wirkende Instanzen empfehlen ein Abweichen von den Stillempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der deutschen Nationalen Stillkommission (NSK) und des Deutschen Hebammenverbandes (DHV). Und stellen nun auch – angeblich wissenschaftlich begründet – die Vorschriften der Europäischen Union (EU) zur Kennzeichnung von Säuglingsnahrung zur Fütterung ab 6 Monaten infrage.

Doch wie sieht die Datenlage wirklich aus?

Eine weltweite Stillempfehlung

Die aktuellen Stillempfehlungen gehen auf Arbeiten der WHO zurück, die 2002 als Ergebnisse einer ausführlichen Expertenberatung veröffentlicht wurden. Seither orientieren sich weltweit Hebammen, Stillberaterinnen und andere Berufsgruppen an folgendem Prinzip: Grundsätzlich sollte angestrebt werden, dass Säuglinge in der ersten 6 Monaten ausschließlich durch Muttermilch ernährt werden; danach sollte eine spezielle Beikost eingeführt werden. Kürzlich veröffentlichte die WHO außerdem neue Empfehlungen zu medizinischen Gründen für Muttermilchersatz-Nahrungen. Die NSK unterstützt die WHO-Empfehlungen: “Muttermilch ist die beste Nahrung für nahezu alle Säuglinge. Ausschließliches Stillen in den ersten sechs Monaten ist für die Mehrzahl der Säuglinge die ausreichende Ernährung.“ Der DHV übernahm diese Empfehlungen und ergänzte sie mit praktischen Empfehlungen zur Stillbegleitung.
Kritikerinnen der WHO-Empfehlung behaupten, die 6-Monate-Vollstillzeit-Empfehlung habe keine gute Evidenz-Grundlage. Das ist falsch! Die WHO veröffentlichte gleichzeitig zur Empfehlung eine umfangreiche Studie, die über die Jahre weitergeführt und letztmalig nach einer Überarbeitung 2006 und soeben wieder veröffentlicht wurde.

Oft wird auch angegeben, im Fokus der WHO-Empfehlungen stünden Kinder und Mütter in armen, vom Hunger gezeichneten, sich in der Entwicklung befindlichen Staaten.
Das stimmt nicht. Die WHO und die hierzu aktualisierten Daten berücksichtigen alle Situationen, von denen in hoch industrialisierten Ländern bis zu denen in armen Staaten. Zusätzlich wurden von 2005 bis 2007 im Auftrag der US-Gesundheitsbehörden 9000 wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Situation in hoch entwickelten Ländern (EU, Australien, USA) ausgewertet (AHRQ 2007): jeweils über 40 Studien zur Gesundheit von Kindern und von Frauen und 29 Übersichtsarbeiten, die insgesamt 400 Einzelstudien auswerteten. Der über 400 Seiten dicke Bericht bildet die Grundlage der offiziellen US-Empfehlungen. Sie stehen keineswegs im Widerspruch zu denen der WHO.

Studien zeigen immer wieder, dass ausschließliches Stillen über wenigstens ein halbes Jahr unter anderem die Risiken senkt für Fettleibigkeit, Diabetes Typ 1 und 2, Asthma bei kleinen Kindern, schwere Infektionen des oberen Atemtraktes, Kinderleukämie, plötzlicher Kindestod (SIDS), nekrotisierendeEnterokolitis und nicht spezifische Gastroenteritis. Für die Mütter werden die Risiken für Diabetes Typ 2, Depression sowie Brust- und Ovarialkrebs gesenkt. Das gilt auch für reiche Länder (AHRQ 2007).


2. Stillen und Zöliakie

Bei der Zöliakie, die im Erwachsenenalter als Sprue bezeichnet wird, handelt es sich um eine Unverträglichkeit gegenüber Gluten, einem Eiweiß in vielen Getreidearten. Eine immunologische Reaktion auf das Abbauprodukt Gliadin führt zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut bis zur Zerstörung der Darmzotten.
Mit Beginn der Zufütterung von Beikost treten chronisch-rezidivierende Durchfälle, Gewichtsverlust und Mangelernährung auf. Für Deutschland gehen die meisten Veröffentlichungen hierzu von 0,3 bis 0,9 Fällen pro 1000 Lebendgeborene aus (0,03 bis 0,09 Prozent). Diese Zahlen sollten jedoch mit Vorsicht betrachtet werden, da nur wenige systematische gute Erhebungen über die Häufigkeit der Zöliakie/Sprue vorliegen.
Eine Forschungsgruppe in Mailand war wahrscheinlich die erste, die erkannte, dass gestillte Kinder seltener an Zöliakie erkranken. Die Schlussfolgerungen waren aber noch sehr vorsichtig formuliert und auch fünf Jahre später noch zurückhaltend, obwohl ein schützender Einfluss der Muttermilch offensichtlich wurde. Entfacht wurde die Debatte, als Zöliakie in Schweden, wo Säuglinge relativ früh Vollkornbrei erhielten, deutlich zunahm. Da hier auch wenig Haferschleim gefüttert wurde (Hafer enthält wenig Gluten), erhielten schwedische Babys rund 40-mal mehr Gluten als zum Beispiel dänische Säuglinge. Fälth-Magnusson et al. zeigten, dass Zöliakie-Kinder meist früher Vollkornbrei erhalten hatten und weniger oft noch bei der Einführung dieser Nahrung gestillt worden waren.
Diese oft als „schwedische Zöliakieepidemie“ bezeichnete Zunahme der Erkrankungen um das 3,5-Fache in den 80er-Jahren wird in einigen Darstellungen (zum Beispiel DGE 2008) auf eine veränderte Stillempfehlung im Jahr 1982 zurückgeführt, obwohl schwedische Untersuchungen kein verändertes Stillverhalten erkennen konnten.
Allerdings wurde in Schweden 1983 die Zusammensetzung der ersten Folgenahrung geändert. Sie enthielt bis dahin kein Gluten, da ab dem 4. Monat gefüttert werden sollte. Danach erschienen glutenhaltige Nahrungen, insbesondere eine vollkornbasierte Diät mit hohem Glutenghalt, die ab dem 8. Monat gefüttert werden sollte. Erkrankte Säuglinge schienen diese Nahrungfrüher erhalten zu haben als nicht erkrankte. Ivarsson et al. konnten nachweisen, dass das Erkrankungsrisiko stieg, wenn große Mengen von Gluten plötzlich neu in die Säuglingsnahrung eingeführt wurden und wenn während und nach der Einführung von Gluten nicht gestillt wurde.
Kürzlich veröffentlichte Daten von 1560 Kindern mit einer genetischen Zöliakie-Disposition in Colorado bestätigten die schwedischen Beobachtungen: Säuglinge, die in der ersten drei Monaten Gluten erhielten, erkrankten 5-mal häufiger an Zöliakie. Das durchschnittliche Alter der Kinder für einen ersten biochemischen Nachweis der Zöliakie lag bei 4,7 Jahren. Zwar gab es Hinweise, dass eine Einführung von Gluten zwischen dem 4. und 6. Monat mit einer geringeren Erkrankungsrate verbunden sein könnte.
Der Einfluss des Stillens ist jedoch kaum auszuwerten: Wenige Kinder waren in den ersten Monaten ausschließlich gestillt worden, im 2. Monat hatten bereits 50 Prozent Kuhmilch erhalten, im 6. Monat 80 Prozent. Im 5. Monat war nur noch die Hälfte der Kinder überhaupt gestillt worden.Eine Forschungsgruppe aus Manchester wertete 2005 alle bisherigen Arbeiten zum Zusammenhang von Zöliakie, Stillen und Säuglingsnahrung aus. Bis auf eine kleine Studie zeigten alle, dass länger gestillte Kinder seltener an Zöliakie erkranken. Zöliakie trat auch seltener auf, wenn während und nach der Einführung von Gluten gestillt wurde. Nicht zu klären war allerdings, ob Muttermilch den Erkrankungszeitpunkt nur hinausschob oder die Erkrankung verhinderte.
Unklar ist bisher, worauf der schützende Effekt der Muttermilch beruht. Akobeng et al. sehen eine mögliche Ursache in der geringeren Rate gastroenteraler Infektionen und Entzündungen bei gestillten Kindern.

2 .Es könnte aber auch ein Zusammenhang mit den IgA-Antikörpern und Immunzellen der Muttermilch bestehen, die eine immunmodulatorische Wirkung auf das Immunsystem des Säuglings haben und so die Häufigkeit allergischer Reaktionen (auch gegen Gliadin) reduzieren.
Im Juli 2008 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine Empfehlung, mit der sie die weltweite Stillempfehlung von WHO, NSK und DHV infrage stellte. Sie führte aus, „dass sich bei Säuglingen mit genetischer Disposition für Zöliakie die Einführung von Gluten während der Stillphase als günstig erweist, und zwar im Zeitfenster zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat“.
Da vielen Eltern die genetische Disposition ihres Kindes nicht bekannt ist und 25 Prozent der Kinder eine Zöliakie-Disposition besitzen (von denen allerdings 98 Prozent nicht erkranken), ergibt sich aus Sicht der DGE hiermit eine generelle neue Stillempfehlung: Ausschließliches Stillen ohne Beikost nur noch bis zum 4. Monat.
Als wichtigstes Argument führt die DGE an, dass in Schweden nach Änderung der nationalen Stillempfehlung 1996 „zugunsten der Einführung kleiner Mengen von Gluten ab dem 4. Lebensmonat“ sich „Mitte der neunziger Jahre eine Verringerung der Zöliakieerkrankungen“ zeigte. Ein statistischer Zusammenhang ist allerdings noch kein Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang.
Inzwischen hat die Gruppe um Ivarsson die Auswirkungen der frühen Gluteneinführung in Schweden an Kindern vor und nach der Änderung verglichen. Zwar fand sich in der zweiten Gruppe seltener Zöliakie (1,3 vs. 0,7 Prozent), allerdings waren die Kinder in der zweiten Gruppe zum Untersuchungszeitpunkt im Schnitt erst 2,9 Jahre alt – eigentlich zu jung für eine zuverlässige Diagnose.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Gruppe um Ivarsson nun die Vermutung, die “schwedische Epidemie“ sei doch nicht so einzigartig, obwohl deutlich auffällig, da bereits wieder ein Anstieg der Zöliakiehäufigkeit zu beobachten sei. Die Aussagekraft der Erhebungen bleibt also umstritten.Inzwischen konnte Ivarsson nachweisen, dass die Hälfte der „schwedischen Epidemie“ darauf zurückgeführt werden kann, dass schwedische Kinder nach dem Abstillen übergroße Mengen Gluten erhielten.
Eine weitere Ursache war der hohe Glutengehalt der schwedischen Säuglingsnahrung. Die Tatsache, dass Kinder, die im Sommer geboren wurden, von der Epidemie stärker betroffen waren, führt Ivarsson auf die Zuführung winterlicher höher kalorischer Nahrung mit hohem Glutenwert zu einer Zeit mit erhöhten Infektionen zurück.
Eine weitere epidemiologische Begleitung der betroffenen Jahrgänge ist geplant. Die Bevölkerungsstudie in Schweden wird Kern einer europäischen Studie zu Säuglingsernährung und Zöliakie: PREVENTCD.Ein Ziel der Studie ist es, den Einfluss der Ernährung im ersten Lebensjahr auf die Entwicklung einer Zöliakie zu untersuchen. PREVENTCD wird jedoch nicht nur von Universitäten,Forschungseinrichtungen und der Europäischen Kommission gefördert, sondern unter anderem auch vom Konzern Numico, deren Tochterfirma Danone Milupa vertreibt.
In der Studienleitung ist eine der Firmen vertreten, die die Screening-Diagnostik für Zöliakie anbieten.
Welch ein Schelm, der dabei an wirtschaftliche Interessen denkt. Auch hier wird die Beikosteinführung ab dem 4. Monat empfohlen – wenn auch unter Vorbehalt, da die Gründe erst mit der Studie belegt werden sollen.

Zurückhaltung erwünscht

Nach Prüfung der vorliegenden Untersuchungen, Veröffentlichungen und laufenden Forschungsprojekte ist deutlich, dass die Infragestellung der gültigen Stillempfehlung kaum auf wissenschaftlich gesicherten Argumenten beruht. Und selbst wenn eine frühere Beikosteinführung in Sachen Zöliakie vorteilhaft sein sollte (wozu noch keine Beweise vorliegen!), wäre immer noch eine Abwägung zwischen diesem Vorteil und den nachgewiesenen positiven Effekten eines ausschließlichen Stillens für mindestens 6 Monate abzuwägen.All denen, die die breite Verunsicherung bei Schwangeren und Stillenden angestoßen haben und die Empfehlungen von NSK und WHO als unzureichend begründet infrage stellen, ist mindestens mehr Zurückhaltung zu wünschen. So tief greifende Verunsicherung bei der Ernährung von Säuglingen sollte nicht ohne vorherige Fachdiskussion in die Öffentlichkeit gebracht werden.
Ich rate: Hände weg von einer leichtfertigen Infragestellung der Stillempfehlungen! Wir sollten lieber dafür eintreten, dass mehr Frauen entsprechend der weltweiten Empfehlung stillen.
Berlin, den 1.3.2009

Autorin: Silvia Höfer, Hebamme
Kontakt: silvia.hoefer@online.de

Donnerstag, 5. Januar 2012

Ein guter Start macht vieles leichter: Wie Bindung gelingen kann

Mein Vortrag auf der Fachtagung „Ein guter Start macht vieles leichter: Wie Bindung gelingen kann“ in der 1. Universitäts Frauenklinik, München, am 31.3.2006.  LESENSWERT!!!

http://www.haeberlstrasse-17.de/sites/default/files/4/stillen.pdf

Stillen und Schlafen

Hat es etwas mit dem Stillen zu tun, ob und wann ein Baby durchschlafen kann? Meine Erfahrung: sehr häufig ist das so - und ist dabei leicht zu ändern. Wenn mehr Eltern darüber Bescheid wüssten, würden mehr Babys schon viel früher viel besser schlafen. 

Dieser Beitrag mit meiner Experten-Meinung ist aus dem ELTERN-Heft 5-2011 und in voller Länge zu finden auf ELTERN-Online http://www.eltern.de/baby/0-3-monate/stillen-wie-lange.html?page=2
Autorin des folgenden Beitrags aus "ELTERN" : Nora Imlau 

AUFGEPASST: Der Titel täuscht ein bisschen - hier geht es vor allem um das Thema DURCHSCHLAFEN

Wie lange will ich stillen - das sagt die Expertin: Vivian Weigert
Warum stillen viele Frauen früher ab als geplant? Und wie können sich stillende Mütter das Leben leichter machen? Darüber sprach ELTERN-Autorin Nora Imlau mit Vivian Weigert. Die Stillberaterin und Leiterin der Fachstelle für Säuglingsfragen e. V. in München hat gerade ein einfühlsames und hilfreiches Buch zum Thema veröffentlicht: "Stillen. Das Begleitbuch für eine glückliche Stillzeit" (Kösel, 14,95 Euro).


Fast alle Schwangeren geben in Umfragen an, ihr Baby die empfohlenen vier bis sechs Monate voll stillen zu wollen. Weniger als der Hälfte gelingt das. Fehlt es deutschen Müttern an Durchhaltevermögen?
Nein, und auch nicht an gutem Willen. Wenn eine Stillbeziehung nach wenigen Wochen endet, dann in den seltensten Fällen auf Wunsch der Mutter. 'Bei mir hat's leider nicht geklappt“, sagen mir diese Frauen traurig. Dieses Bild ist immer noch in den Köpfen: dass Stillen irgendwie Glückssache ist. Die einen können's, die anderen nicht. Und in Wirklichkeit? Kann es praktisch jede Frau - wenn sie die richtige Beratung und Unterstützung bekommt.

Ein Satz, den viele Frauen nicht gern hören.
Ja, weil er für sie wie ein Vorwurf klingt: Jede kann stillen - warum nicht auch du? So meine ich ihn aber nicht. Ich will Frauen vielmehr Mut machen: Ihr habt die wunderbare Gabe, euer Baby an der Brust ernähren zu können. Lasst euch das nicht nehmen, sondern fordert die Hilfe ein, die ihr braucht. Denn die Gründe für unfreiwilliges frühes Abstillen sind immer die gleichen. Entweder starke Schmerzen beim Stillen oder das Gefühl, das Baby würde nicht satt. Probleme, die mit der richtigen Stillberatung oft gar nicht erst auftreten würden - oder schnell gelöst werden könnten.

Wie können Frauen sonst noch verhindern, dass sie unfreiwillig früh abstillen?
Wir wissen heute, dass die ersten Stunden nach der Geburt ungeheuer wichtig sind für die Stillbeziehung. Also sollten Mütter darauf bestehen, in dieser Zeit nicht von ihrem Baby getrennt zu werden. So kann die
U1 beispielsweise auch auf dem Bauch der Mutter gemacht werden, und alle Routine kann warten, bis das Baby zum ersten Mal an der Brust lag.
Wenn dann das Stillen gut und schmerzfrei klappt ...
... genießen es die meisten Frauen sehr. Das Baby wächst und gedeiht, und in dieser Phase denken die wenigsten Mütter ans Abstillen. Das ändert sich allerdings recht zuverlässig mit dem vierten Lebensmonat.

Was ist da los?
In diesem Alter lassen sich Babys leicht ablenken. Sehen sie beim Trinken etwas Spannendes, zappeln sie herum, docken sich ab - und holen in der Nacht die Milchmahlzeiten des Tages nach. Die Mütter haben nachts also stündlich ihr Kind an der Brust, sind erschöpft und denken dann: Wahrscheinlich reicht meine Milch eh' nicht mehr!

Was ist die Alternative?
Das Baby ganz bewusst tagsüber mindestens alle drei Stunden an die Brust zu legen und durch häufigeres Wechseln beider Seiten die Mahlzeiten tagsüber wieder zu verlängern, nachts hingegen nur das Minimum anzubieten.

Eine zu kurze Stillzeit gibt es nicht!
Dann werden die Nächte von selbst besser?
Meistens, ja. Allerdings brauchen Babys etwa zwei Wochen, um sich umzustellen. Leider beobachte ich immer wieder, dass Mütter denken, sie dürften nicht in den Stillrhythmus eingreifen. Schreibt eine Mutter in einem Internetforum, dass sie von den durchgestillten Nächten völlig erschöpft ist, kriegt sie oft zur Antwort: "Halt durch und gib deinem Baby jederzeit, was es braucht!" Damit wird ihr Problem aber weder ernst genommen noch gelöst, denn das Baby könnte seinen Bedarf auch tagsüber stillen. Viele Frauen wollen vor allem deshalb abstillen, weil sie den Schlafmangel nicht mehr aushalten. Wenn ich ihnen dann vorschlage, erst mal nur nachts abzustillen, sind sie ganz verblüfft. Das soll gehen? Klar geht das!

Und wie genau?
Indem es in einem bestimmten Zeitfenster nachts keine Milch mehr gibt, während man tagsüber für ein ausreichendes Angebot sorgt. Ist ein Baby älter als sieben oder acht Monate, sehe ich darin kein Problem. Natürlich ist es wichtig, ein Baby mit dem Frust über die Umstellung nicht allein zu lassen, es zu trösten und mit ihm zu kuscheln. Aber meist akzeptieren Babys diese neue "Still-Ordnung" schnell und schlafen in der nächtlichen Pause durch - und die Mutter ist dann so ausgeschlafen, dass sie das Stillen tagsüber wieder genießen kann.

Sie betonen die Vorteile des Stillens übers erste halbe Jahr hinaus. Schlimm, wenn eine Mutter dazu keine Lust mehr hat?
Nein. Entscheidet sich eine Frau bewusst dafür, abzustillen, gibt es daran nichts auszusetzen. Traurig ist nur, wenn sie selbst das Gefühl hat, es sei zu früh - etwa, weil jemand sie dazu drängt.

Wann ist denn aus Ihrer Sicht der optimale Zeitpunkt?
Ganz einfach: wenn eine Mutter merkt, dass sie nicht mehr stillen will. Nicht, weil die anderen sagen, sie sei eine Glucke. Sondern weil sie selber spürt: Jetzt ist es genug. Eine zu kurze Stillzeit gibt es übrigens nicht. Stillen ist immer wertvoll. Egal, ob eine Mutter ihrem Kind einige Wochen oder viele Monate lang die Brust gegeben hat - sie kann in jedem Fall sehr stolz darauf sein.

Wie lange will ich stillen - das sagt die Wissenschaft

Studien belegen, dass eine längere Stillzeit für Mutter und Kind gesundheitlich nur Vorteile hat. Deshalb empfiehlt etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) explizit auch Müttern in Industrienationen, ihr Kind begleitend zu altersangemessener Beikost bis zum zweiten Geburtstag oder sogar darüber hinaus zu stillen, wenn es ihnen damit gut geht. Gleichzeitig ist auch klar: Diese Empfehlung hat hier lange nicht die Dringlichkeit wie etwa in Entwicklungsländern. Denn wir haben das Privileg, jederzeit auf hochwertige Babynahrung zurückgreifen können.
Zusammengefasst heißt das: Mütter können ihr Kind mit gutem Gewissen so lange stillen, wie sie möchten. Und wenn sie genug haben, ist es genug - ob nach einigen Wochen oder nach vielen Monaten.
Und hier ein interessantes Interview mit Dr. Michael Abou-Dakn zum Thema Stillen und Schlafen: http://www.youtube.com/watch?v=89G62Ycfhqc (Dr. Abou-Dakn hat auch ein schönes Vorwort zu diesem Buch beigetragen!)