Mittwoch, 10. September 2014

Das Baby weint beim Stillen?



 

Verdruss an der Brust

von Dagmar Fritz ,  übernommen aus meinem Buch „Stillen“.

Wenn das Baby beim Stillen weint...

Um der Ursache für Babys Unwohlsein auf den Grund zu gehen, ist es wichtig, auf den Zeitpunkt zu achten, an dem das Baby beim Stillen zu weinen beginnt: Weint es vor dem Trinken, während oder nach dem Stillen, so kommen unterschiedliche Ursachen für Babys Frust an der Brust in Frage:


Das Baby weint vor dem Trinken:

  • Eigentlich klappt es mit dem Stillen ganz gut, aber manchmal tritt Ihr Kind ganz plötzlich in den Stillsteik? Das könnte darauf hindeuten, dass das Kind durch ungewöhnliche Umstände irritiert ist. Vielleicht nimmt es einen ungewohnten Duft wahr? Ein neues Waschmittel, Deodorant oder Duschgel könnte die Ursache dafür sein, dass ihr Baby sich gestört fühlt. Versuchen Sie folgendes: Duschen Sie vor dem Stillen ohne Duschgel und tragen Sie danach Kleidung, die ohne Waschmittel gewaschen wurde. Wenn das Baby danach wieder ruhig trinkt, wissen Sie, dass es an einem ungewöhnlichen Duft gelegen hat.
  • Größere Babys streiken manchmal, wenn sie vom Zufüttern Verstopfung haben. Hören Sie vorübergehend auf mit dem Zufüttern und fragen Sie Ihre Stillberaterin, wenn das Problem anhält.
  • Haben Sie schon mal etwas von „Saugverwirrung“ gehört? Die Mundmotorik von Babys stellt sich in den ersten Lebenswochen immer besser aufs Trinken an der Brust ein. An der Brust zu trinken erfordert für Babys eine andere Technik als an einem künstlichen Sauger zu nuckeln. Bietet man dem Kind mal die Brust, mal einen Nuckel an, kann das die Kleinen gehörig durcheinanderbringen, sodass es den Anschein hat, das Baby käme mit der Brust nicht mehr zu Recht. Um dies zu vermeiden, sollte man kleinen Babys gerade in den ersten Lebenswochen nur die Brust anbieten und auf alle künstlichen Sauger verzichten. Solange das Baby nicht trinkt, können Sie dem Kind die abgepumpte Muttermilch mit einem Löffelchen einträufeln. Nach ein oder zwei Tagen wird sich die Saugverwirrung legen und das Baby trinkt wieder normal.

Das Baby weint während des Trinkens:

  • Das könnte am Geschmack der Milch liegen: Starke Gewürze aber auch körperliche Anstrengung vor dem Stillen beeinflussen vorübergehend den Geschmack der Milch. Essen Sie deshalb etwas vanillehaltiges, vielleicht einen Joghurt oder Milchreis mit natürlicher Vanille. Das neutralisiert das ungewohnte Aroma und lässt die Milch angenehmer schmecken. Weil Babys süßen Vanillegeschmack so gerne mögen, setzten sogar Produzenten von künstlichem Babymilchpulver ihren Produkten Vanillearoma zu.
  • Beim Trinken reagieren Babys manchmal mit Bauchschmerzen: Es knattert und grummelt im Bauch. Diese starken Darmbewegungen können sehr schmerzhaft für Babys sein. Ein warmes Bad oder ein lauwarmes Kirschkernkissen auf das Bäuchlein gelegt helfen, schmerzhafte Verspannungen zu lösen.
  • Hat Ihr Baby Schnupfen, dann kann es beim Trinken nicht atmen und kann dementsprechend auch nicht in Ruhe seinen Hunger stillen. Spritzen Sie deshalb einen Tropfen Muttermilch in jedes Nasenloch, damit wird die Nase wieder frei.
  • Einige Babys haben eine Lieblingsseite an der sie trinken, an der anderen Brust verweigern sie regelmäßig das Trinken. Das kann an unterschiedlich geformten Brustwarzen liegen, aber auch daran, dass die Milch auf einer Seite leichter ausströmt als aus der anderen Seite. Stillen Sie das Baby im Wiegegriff und lassen Sie das Kind von einer Brust zur anderen gleiten. Beenden Sie das Stillen mit der bevorzugten Seite. Das Baby ist gegen Ende des Stillens müde, an seiner Lieblingsseite fällt ihm dann das Trinken leichter.

Das Baby weint nach dem Trinken:

  • Wahrscheinlich ist noch Luft im Bäuchlein und die drückt und tut weh. Lassen Sie das Kind deshalb gut aufstoßen. Es kann aber auch sein, dass das Baby besonders in den ersten drei Lebensmonaten zu Koliken neigt und von Bauchschmerzen geplagt ist. Der sogenannte Fliegergriff (das Baby bäuchlings auf dem Arm halten) und ein warmes Kischkernkissen aufs Bäuchlein helfen hier, die schmerzhaften Verspannungen zu lösen


„Noch mehr interessante Informationen zum Thema Stillen und Stillprobleme enthält der Ratgeber von Vivian Weigert: "Stillen - das Begleitbuch für eine glückliche Stillzeit" im Kösel-Verlag.



Dienstag, 9. September 2014

Stillabstände einhalten? Nein!

Der Mythos von den Stillabständen

Die Nachfrage regelt das Angebot. Auch bei der Muttermilch ist das so. Je häufiger ein Baby bei seiner Mama trinkt, desto mehr Milch bildet sie. Besonders das Wechselstillen ist äußerst effektiv, um die Milchmenge zu steigern. Wechselstillen bedeutet, dass während einer Mahlzeit mehrmals die Seite gewechselt wird, sobald das Kind weniger saugt. Längeres Stillen an einer Brust hat dagegen nur eine wenig steigernde Wirkung auf die Milchmenge.
Trotzdem hört man immer wieder, man solle beim Stillen Mindestabstände von zwei oder drei Stunden zwischen den Mahlzeiten einhalten. Ist da nicht vielleicht doch etwas Wahres dran, wenn diese Meinung so verbreitet ist? Meistens ist es einer der folgenden drei Gründe, der für die Abstände angeführt werden.

Neue Milch auf alte Milch

Der am häufigsten genannte Grund ist, dass es zu Bauchschmerzen führe, wenn neue Milch auf angedaute Milch trifft. Dabei ist dieses Vorurteil schnell widerlegt, denn Muttermilch ist so leicht verdaulich, dass bereits während einer einzigen Mahlzeit frische Milch auf angedaute trifft. Demnach müssten alle Stillkinder ständig Bauchweh haben.
Das Märchen von der angedauten Milch stammt aus der Zeit als es noch keinen sicheren Ersatz für die Muttermilch gab. Die frühen Ersatzprodukte waren von so schlechter Qualität, dass sie weit mehr als nur schlimme Verdauungsbeschwerden hervorrufen konnten. In Gegenden, in denen nicht gestillt wurde, starb mitunter über die Hälfte aller Babys. Dort, wo gestillt wurde, starben dagegen im Schnitt 12-15% aller Babys im ersten Lebensjahr. Um überhaupt das Leben der nicht gestillten Kinder zu bewahren, musste man strenge Regeln bei der künstlichen Ernährung einhalten, unter anderem gehörten dazu eben auch Mindestabstände zwischen den Mahlzeiten.
Im Laufe der Zeit ging die Zahl der stillenden Mütter immer mehr zurück. Der Muttermilchersatz wurde immer sicherer und trotzdem wurde an den Abständen festgehalten, denn man vergaß den Ursprung dieser Regel. Je weniger gestillt wurde, desto mehr Stillwissen ging verloren. Und so kam es, dass von der Ernährung mit der Flasche auf die Ernährung an der Brust geschlossen wurde und auch für das Stillen Mindestabstände gefordert wurden.

Stillen ist nur Nahrungsaufnahme

Der zweite oft genannte Grund ist, dass Kinder lernen müssten, was Hunger sei und nicht bei jedem Mucks angelegt werden sollten. Dahinter steckt die Vorstellung, dass zum einen das Stillen eine reine Nahrungszufuhr sei, und dass zum anderen das Kind nicht wissen könne, was gut für es ist. Auch das stimmt natürlich nicht. Schon ein neugeborenes Baby weiß genau, wann es Hunger hat. Das zeigt es zuerst durch Suchbewegungen und Nuckeln an den Fäustchen und letztlich – wenn es zu lange warten muss – durch sein Schreien. Außerdem dient das Saugen auch der Beruhigung und befriedigt das Bedürfnis nach Nähe und Hautkontakt.
An dieser Stelle spielt auch die weit verbreitete Angst vor dem Verwöhnen mit rein. Ein Kind, dass bekommt, was es will, wann es das will, wird zu einem Tyrannen, so die Befürchtung. Doch das Verlangen nach Muttermilch, Stillen und Geborgenheit ist nicht gleich zu setzen mit dem Verlangen nach einem Riegel Schokolade an der Supermarktkasse oder dem x-ten Spielzeug.

Rhythmus ist wichtig fürs Familienleben

Der dritte Grund ist, dass Kinder Regelmäßigkeit bräuchten. Alles habe seine feste Zeit. Das soll dem Kind helfen, sich in der Welt zurecht zu finden und sich in die bestehende Ordnung einzufügen. Diese Vorstellung stammt zum einen aus einer Zeit, als die Gruppe noch mehr wert war als das Individuum. Die Bedürfnisse des einzelnen mussten den Regeln der Gruppe untergeordnet werden. Dazu kommt noch, dass damals Hausarbeit richtig harte Arbeit war. Je besser sich das Kind in den Haushalt einfügte, desto leichter hatte es die Mutter.
Des weiteren ging man beispielsweise im 19.Jahrhundert davon aus, dass es wichtig sei, den menschlichen Organismus an feste Zeiten zu gewöhnen, sonst würde er schnell anfällig für Krankheiten werden. Diese Regeln galten nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Das ging so weit, dass man die Uhrzeit festlegte, zu der der Stuhlgang zu erfolgen hatte.
Zur Zeit des Nationalsozialismus dann wurde das Einhalten von festen Zeiten als erzieherische Maßnahme angesehen, die dem Kind beibringen sollte, seinen Willen zu beherrschen. Durch Einhalten fester Nahrungsmengen wollte man die Kinder sogar zur Mäßigkeit erziehen.
Sicher gibt es Kinder und Familien, denen ein gewisser Rhythmus gut tut. Manche Kinder brauchen tatsächlich feste Strukturen, um sich zurecht zu finden. Doch es wäre grundfalsch daraus zu schließen, dass das für alle Menschen gelte oder sogar noch die Zeitpläne für alle Familien gleich setzen zu wollen, wie es früher durchaus gemacht wurde.
Alle drei Gründe sind also nicht mehr zeitgemäß. Die Erfahrung zeigt, dass Stillen nach festen Zeitplänen oder mit Mindestabständen meistens zu Milchmangel führt. Darum hatten auch in den 1970er und 1980er Jahren, als noch streng auf Abstände geachtet wurde, so viele Frauen zu wenig Milch. Allen drei Begründungen ist gemeinsam, dass man den Ursprung aus den Augen verloren hat. Es mag früher einmal sinnvoll gewesen sein, Abstände einzuhalten. Und auch heute mag es für manche Familien stimmig sein, eine gewisse Regelmäßigkeit anzustreben. Eine allgemein gültige Regel kann das Stillen nach der Uhr aber nicht sein.